Der Gesang der Strasse von Hormus

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Toronto, Canada - June 26, 2010: Female protester holding a protest sign reading "Attention to UN: We are under torture in Iran". Taken during the protests of the G20/G8 summits in Toronto on June 26th, 2010. Foto: © istock/Jen Grantham

Während die iranische Reaktion auf die europäischen Ölsanktionen trotzig bleibt und amerikanische Kriegsschiffe die Strasse von Hormus durchqueren, hat man im Iran genug Zeit, um sich um wichtigeren Bedrohungen zu widmen.

Erst in der letzten Woche wurde der Sänger Aria Aramnejad von iranischen Beamten zu zehn Monaten Haft verurteilt. Sein Verbrechen ist das Lied „Ali Barkhiz“ („Ali, erhebe Dich“), das er nach dem Ashura-Aufstand 2009 verfasst hatte; diese Reihe ziviler Proteste nach den manipulierten Wahlen 2009 wurde auf blutigste Weise niedergeschlagen. Das Lied protestiert gegen den Missbrauch Gottes und des Korans und fordert die Imame zu einem Handeln auf, das den Namen des Propheten Ali nicht lästert. In seiner Gerichtsverhandlung sagte Aramnejad: „Imam Hussein starb für alle Zeiten den Märtyrertod, um über das Böse zu triumphieren – sollten wir also nicht das gleiche von denen erwarten, die ihm folgen? Ist es nicht merkwürdig, dass es in unserem Land als Verbrechen angesehen wird, wenn die Imame um Hilfe beim Kampf gegen das Böse gebeten werden?“ Diese Ansicht fand offenbar keine Unterstützung, zumindest nicht beim islamischen Rechtssystem. Die Imame zur Bekämpfung des Bösen aufzufordern hielte sie für eine „Gefährdung der nationalen Sicherheit des Landes“.

Da Aramnejad sich seit seiner Verhaftung im November in Einzelhaft befindet, war sein Weg ins Gefängnis glücklicherweise eher kurz. In der Haft wurde er gefoltert, mehrfach geschlagen, er wurde nackt fotografiert und mit seiner Ermordung bedroht, wie er vor Gericht aussagte. Doch sein Stolz scheint ungebrochen – wie der des iranischen Regimes.

In der gleichen Woche bestätigte das oberste iranische Gericht die Todesstrafe des 35-jährigen Saeed Malekpour wegen „Beleidigung und Herabwürdigung des Islam“. Malekpour, der seinen ständigen Wohnsitz in Kanada hat, wurde im Oktober 2008 bei einem Eilbesuch verhaftet, als er kam, um seinen sterbenden Vater zu sehen. Er wurde festgenommen mit der Anschuldigung, eine Website mit pornografischen Bildern gestaltet zu haben. Diese Anschuldigung wurde „bestätigt“ durch ein per Video aufgezeichnetes Geständnis, in dem er die Veröffentlichung der pornografischen Bilder „zugibt“. In einem Brief aus dem Gefängnis beschreibt Malekpour später, wie er mit Stöcken und Kabeln geschlagen und zu dem Geständnis gezwungen wurde. Da Malekpour sich in Einzelhaft befindet, weiss er nicht, dass er in der letzten Berufungsmöglichkeit gegen sein Todesurteil verloren hat.

Musik und Kultur scheinen weiterhin grosse Bedrohungen für das iranische Regime zu sein, ein Kampfplatz wie die Strasse von Hormus, wo es glaubt Präsenz zeigen zu müssen.

Im letzten Monat wurden Parastoo Dokouhaki, Frauenrechtlerin, Journalistin und Forscherin, und die Musik- und Literaturjournalistin Marzieh Rasouli verhaftet; gerade wurde bekannt, dass sie in Einzelhaft in die 2-aleph-Sektion des Gefängnisses überführt wurden, das von den Revolutionsgarden kontrolliert wird.

Parastoo Dokouhaki ist seit langer Zeit als Frauenrechtlerin aktiv. Berühmt und berüchtigt wurde sie mit ihren Artikeln für das mittlerweile verbotene Monatsmagazin Zanan (Frauen) und dem ersten Blog von Frauen im Iran. Das Thema ihres Blog „Zan Nevesht“ (Frauen schreiben) waren Frauen in der iranischen Gesellschaft; als er 2001 gegründet wurde, füllte er eine eklatante Lücke in der Berichterstattung von Frauenthemen dieser Zeit. Marzieh Rassouli war einige Jahre Musik-und Literaturkritikerin, aber nie politisch aktiv. Zuvor schrieb sie für reformerische Tageszeitungen wie Sharq, Kargozaran und Etemaad. Der von den Sicherheitsbeamten bei ihrer Verhaftung vorgelegte Haftbefehl lautete auf „Handlungen gegen die nationale Sicherheit“, wie BBC Persia berichtet. Zwei weitere Journalistinnen wurden am 7. Januar verhaftet, Fatemeh Kheradmand und Ehsan Houshmandzadeh, und einen Tag darauf der Bürgerrechtler Said Madani.

Nicht nur Musik und Kultur jedoch sind eine ernsthafte Bedrohung für die islamische Republik. Der Sport ist auch nicht ungefährlich. Die bekannte iranische Schauspielerin Pegah Ahangarani, die die iranische Oppositionsbewegung unterstützt, sollte im vergangenen Juli zu einem TV-Auftritt zur Frauen-Fussballweltmeisterschaft nach Deutschland reisen. Vor ihrer Abfahrt zum Flughafen jedoch haben Sicherheitsbeamte sie sonntags in ihrem Haus in der Hauptstadt abgeholt. Ahangarani ist die zweite Frau, die in Verbindung mit der Weltmeisterschaft in Deutschland verhaftet wurde. Ende Juni war die bekannte iranische Fotografin Maryam Majd, die sich dafür einsetzte, dass Frauen als Zuschauerinnen Zugang zu Fussballstadien erhielten, vor ihrer Reise nach Deutschland verhaftet worden; sie hatte geplant, dort an einem Buch über Frauen und Sport zu arbeiten.

Die letzte Welle der Verhaftungen kommentierte der iranische Geheimdienstminister Heydar Moslehi damit, dass einige Personen festgehalten würden wegen „des Versuchs, amerikanische Ziele umzusetzen“. Es seien „Spione“ verhaftet worden, „die Kontakt zu Personen im Ausland hatten, sowohl online als auch über soziale Netzwerke“, sagte Moslehi der Nachrichtenagentur ISNA (Student News Agency) zufolge.

Allem Anschein nach sind für einige Leute im Iran amerikanische Kriegsschiffe dasselbe wie pro-amerikanische Blogeinträge –  eine gefährliche Bedrohung, die eine harte Hand erfordert. Und wie ihre Verbündeten in Syrien sind sie entschlossen zu handeln. Wer verstehen möchte, warum einige im Westen so besorgt darüber sind, was das iranische Regime anderen mit Nuklearwaffen zufügen könnte, muss sich nur anschauen, was das Regime seinen eigenen Leuten schon ohne sie antut.

Nir Boms – Experte bei Strategic Outlook, Mitbegründer von CyberDissindents.org

Originalversion: Singing Through the Straits of Hormuz by Nir Boms © Strategic Outlook, January 31, 2012.