Deutscher Medienpreis an Mitri Raheb

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Mitri Raheb
Mitri Raheb

Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Herzog,

Sie werden am 24. Februar im Rahmen der Vergabe des deutschen Medienpreises die Laudatio halten, so wurde es jedenfalls angekündigt.

Einer der Preisträger wird der ev. Pfarrer Mitri Raheb aus Bethlehem sein. Da wir uns in unserer Arbeit in Israel und auch hier seit Jahren regelmässig mit falschen Aussagen, mit nationalistischer Theologie (à la Deutsche Christen) und als Folge davon mit der daraus entstandenen Hetze gegen Israel und der systematisch betriebenen Delegitimation Israels  durch Mitri Raheb auseinandersetzen (müssen), kann ich dieser Ehrung wegen nur Widerspruch einlegen.

Ich habe damals 1996 viel aus Ihrer Rede im Deutschen Bundestag gelernt und dieses auch besonders in der Lehrer- und Pfarrerfortbildung umzusetzen versucht. Sie haben in eindringlicher Weise darauf hingewiesen, dass die „kleinen Schritte“, die Ausgrenzung es waren, die nicht wahrgenommen wurden, obwohl alles öffentlich geschah. Das hat mich überzeugt und mir auch klar gemacht, dass in den ersten Jahren nach 1933 noch breiter Widerstand möglich gewesen wäre.

Seit 1994 („Ich bin Christ und Palästinenser“, Gütersloh) verkündet Mitri Raheb in Vorträgen und Büchern die alte christliche Theologie der Enterbung (‚die Verheissungen Gottes für das Volk Israel gelten seit Jesus den Christen, vor allem den Palästinensern‘); damit bestritt und bestreitet er erneut – nach der Schoa – dem jüdischen Volk seine Würde. Z.B.:

„Die palästinensischen Christen sind genau genommen die einzigen in der Welt, bei denen man, wenn man über ihre Vorfahren spricht, ihre tatsächlichen Vorfahren sowie die Vorfahren im Glauben meint.“

„So sieht die Wirklichkeit der Völker des Landes aus. Wieder: Sie sind nicht Israel. Was diese Erfahrung angeht, von der ich rede, so sind es nur die Palästinenser, die dies verstehen, denn Israel verkörpert Rom.“

„Es waren unsere Vorfahren, denen die Offenbarung gegeben wurde…“

(Belege stammen aus seiner im März 2010 auf der Konferenz „Christ at the Checkpoint“ in Bethlehem gehaltenen Rede)

Seit den 1990er Jahren nimmt Mitri Raheb im Nahen Osten und in Europa mit dieser von beiden grossen Kirchen verworfenen Theologie erheblichen Einfluss auf viele (bes. junge) Theologen.

Mitri Raheb ist ebenfalls ein zentraler Autor und Verfechter des von palästinensischen Theologen 2009 erstellten Kairos-Papiers, das in unseren grossen Kirchen zur Zeit einen grossen Einfluss ausübt. In ihm wird u.a. die Gewalt verherrlicht („Wir haben Hochachtung vor allen [!], die ihr Leben für unsere Nation hingegeben haben.“). Und in ihm werden u.a. die Christen zum Boykott Israels bes. israelischer Waren aufgerufen. Dieses Papier dient hierzulande vielen Christen, auch Kirchenführern(!), als Rechtfertigung ihrer Verurteilung Israels als „Apartheidstaat“, als Staat der Unterdrückung der Christen.

Dass Mitri Raheb in seiner bereits oben zitierten Rede noch einen entscheidenden Schritt zur Delegitimierung der Juden, des jüdischen Volkes und des Staates Israel weitergeht, belegt nun seine Rede in Bethlehem März 2010 (http://www.christatthecheckpoint.com/lectures/Mitri_Raheb.pdf):

„Ich bin sicher, wenn wir einen DNA-Abgleich von David, der aus Bethlehem war, und Jesus, der in Bethlehem geboren wurde, sowie Mitri machen, der gegenüber von dort geboren wurde, wo Jesus geboren wurde, dann bin ich sicher, dass die DNA zeigen wird, dass es eine Spur gibt. Aber wenn man König David, Jesus und Netanyahu abgleicht, wird man nichts finden, denn Netanyahu kommt aus einem osteuropäischen Stamm, der im Mittelalter zum Judentum übertrat.“

Ich denke, ich brauche, diese rassistische Äusserung nicht weiter zu deuten, sie sollte nach 2000 Jahren Judenfeindschaft und nach der Schoa auf unser aller Ablehnung stossen.

Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Herzog,

wenn Sie die starke Wirkung dieses Theologen auf die Menschen hierzulande noch zusätzlich in Betracht ziehen (unser Landesbischof Dr. Fischer hat ihn gerade wieder zu Weihnachten in einer öffentlichen Stellungnahme zitiert), dann können Sie vielleicht abschätzen, welch schlimme Wirkung von diesem Theologen ausgeht. Und der erhält den deutschen Medienpreis!?

…der, der die Gewalt verherrlicht, wird als Vorbild für den Kampf gegen die Gewalt hingestellt, wird mit einer Ehrung gewürdigt?

… der, der zum Boykott Israels aufruft, erhält in unserem Land, das zur Staatsräson Israels Existenz erklärt hat, einen so herausragenden Preis?

…der, der alles tut, Israel, das jüdische Volk, die Juden zu verunglimpfen, ihnen ihre Würde abzustreiten und sie rassisch abzuqualifizieren, wird in Deutschland geehrt – in einem Land, das auf Ihre Initiative 1996 erklärt hat: „Es ist deshalb wichtig, nun eine Form des Erinnerns zu finden, die in die Zukunft wirkt. Sie soll Trauer über Leid und Verlust ausdrücken, dem Gedenken an die Opfer gewidmet sein und jeder Gefahr der Wiederholung entgegenwirken.“

Sie haben uns zu Recht angehalten, auf die Anfänge zu achten, den Anfängen zu wehren – es kann und darf doch nicht sein, dass Sie dann einem solchen Menschen die Laudatio halten! Ich kann und will das nicht glauben!

Ich hoffe, dass die von Mitri Raheb stolz verkündete Ehrung und die damit verbundene Laudatio ein Irrtum ist, der noch korrigiert werden kann.

Mit Hochachtung (für Ihr Werk) verbleibe ich

Ihr

Albrecht Lohrbächer, Schuldekan i.R.

Freundeskreis Weinheim Ramat Gan, 1. Vors.

Verein ehemalige Synagoge Hemsbach, 1. Vors.

 

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6 Kommentare

  1. Wir möchten uns für das "Oder?" in Ihrer Intervention aussprechen. Wir bezweifeln nicht, dass aus nationalistischen Motiven sogar Massenmördern ein Denkmal gesetzt werden kann und wurde. In palästinensischen Medien geschieht das nahezu täglich. Gleichwohl halte ich das nicht für ein "Allgemeinplätzchen", sondern für unkritisch und unmoralisch und in jedem Fall mit einer christlichen Ethik unvereinbar.

  2. Danke. Wenn ich den Satz so nehme und er so gesagt worden ist, dann muss ich dazu feststellen, dass er so auf den Ehrenmählern aller Nationen zu finden ist. Das sind doch Allgemeinplätzchen, die würde jede Nation/Staat/Volk für sich in Anspruch nehmen. Oder?

  3. Mitri Raheb ist einer der Erstunterzeichner und Mitverfasser des "Kairos-Palästina"-Dokuments einer Handvoll palästinensicher Christen. Darin findet sich der Satz: "Wir haben Hochachtung vor allen, die ihr Leben für unsere Nation hingegeben haben". Eine Abgrenzung von gezielten terroristischen Mordaktionen von Palästinensern findet sich nicht. Der Schweizerische Evangelische Kirchenbund hält dazu fest: "Weiterhin muss klargestellt werden, dass
    "«Hochachtung vor allen, die ihr Leben für unsere Nation hingegeben haben» in keiner denkbaren Weise denjenigen entgegengebracht werden kann, die mit ihrem Tod anderen Menschen wiederum Leid und Tod zugefügt haben."

    Aussagen von Mitri Raheb finden Sie auch bei Michael Lowe: https://www.audiatur-online.ch/2011/11/24/palaesti

  4. Äh ja, wenn das so ist… Können Sie das als seriöser Redakteur denn auch belegen? Wie lautete die Äußerung und wann, wo und in welchem Zusammenhang wurde sie gemacht? Sie wissen da offenbar mehr als ich.

  5. "Echte Freunde Israels" haben nun doch Probleme mit einem Pfarrer, der "Hochachtung" vor Terroristen ausdrückt, die gezielt Kinder und Greise ermorden, zum Beispiel auch alte Menschen, die den Holocaust überlebt haben und in einem Altersheim in Israel das Pessach-Fest feiern wollten. Das allein genügt, um auszuschliessen, was Sie schreiben, nämlich dass Raheb ein "besonnener" und "ausgleichender" Mensch ist.

  6. Es tut mir leid, aber der Ton in diesem Schreiben klingt leider sehr nach einer Hatz auf einen Menschen, der mir als besonnen und ausgleichend bekannt ist. Ich habe Herrn Raheb auf verschiedenen Kirchentagen erlebt und ihn als glaubwürdigen Vertreter seiner in besonderen Umständen lebenden Gemeinde (Stichwort Besatzung, Mauer) erlebt. Echte Freunde Israels müssten sich doch die Finger lecken nach solchen Menschen, die eine Architektur eines dauerhaften Friedens entwerfen könnten. Solche Menschen gibt es übrigens auch auf der israelischen Seite der Mauer. Also meinetwegen kann Herr Raheb den Preis bekommen, ich finde, er hat ihn wirklich verdient.

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