Westjordanland und Gazastreifen: Wirtschaftliches Wachstum seit 2007

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Ramallah, West Bank (Palestine) - October 22, 2010: Volkswagen and other vans stand parked in a garage/station in downtown Ramallah, from where they depart to other towns and villages around the West Bank. These are the workhorses of public transportation around the West Bank.
© istock/Joel Carillet

Nach dem Bruch zwischen der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) und der Hamas im Jahr 2007 entwickelte sich das Westjordanland wirtschaftlich besser als der Gazastreifen, und dies nicht nur aufgrund ausländischer Beihilfe. Angaben des Palästinensischen Zentralbüros für Statistik ergeben das Bruttoinlandsprodukt (BIP) beider Gebiete in den vergangenen Jahren. Einkünfte aus dem Ausland wie Beihilfen und Überweisungen sind in diesen Zahlen nicht enthalten; doch würden die Unterschiede zwischen dem Westjordanland und dem Gazastreifen durch das Hinzufügen dieser Einkünfte nicht verringert.

Nachdem die Regierung von Ministerpräsident Salam Fayyad im Jahr 2007 etabliert war, ist das BIP im Westjordanland bis 2010 jedes Jahr ein rapide gewachsen, mit einem Höchstwert von 12 Prozent im Jahr 2008, 10 Prozent 2009 und 8 Prozent 2010. Der Internationale Währungsfond IWF führt dieses Wachstum auf Spendenhilfen, eine verbesserte Sicherheitslage, eine verringerte Einschränkung der Bewegungsfreiheit durch Israel und das Vertrauen der Privatwirtschaft auf die gute Verwaltung der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) zurück. Das BIP des Westjordanlandes kletterte von 3,3 Milliarden Dollar im Jahr 2007 auf 4,4 Milliarden Dollar im Jahr 2010, das ist ein Ansteigen des BIP pro Kopf von 1.580 $ auf 1.924 $ oder um 22 Prozent. Über einen längeren Zeitraum betrachtet sieht das Wachstum noch besser aus: Das BIP des Jahres 2010 war um 50 Prozent höher als 2000 und um 124 Prozent höher als im Jahr 1994.

Die ökonomische Erholung im Gazastreifen, der von der Hamas kontrolliert wird, ist langsamer vor sich gegangen. Im Jahr 2008 schrumpfte die Wirtschaft des Gebietes um 6,7 Prozent. Das nachfolgende Wachstum des BIP im Gazastreifen – einschliesslich eines beeindruckenden Höchstwertes von 15 Prozent im Jahr 2010 – wurde nach dem IWF weitgehend von „einer Lockerung der israelischen Blockade und nicht durch das Vertrauen der Privatwirtschaft“ angetrieben. Im Jahr 2010 betrug das BIP des Gazastreifens 1,3 Milliarden Dollar; das ist gegenüber 1,2 Milliarden Dollar 2007 ein geringfügiger Anstieg, und aufgrund seines schnelleren Bevölkerungswachstums im Vergleich zum Westjordanland ist das BIP pro Kopf im Gazastreifen sogar von 886 $ im Jahr 2007 auf 876 $ 2010 gesunken. Selbst wenn man den Höchstwert des vergangenen Jahres mit einbezieht, war das reale BIP des Gazastreifens im Jahr 2010 nur um elf Prozent höher als im Jahr 2000 und um 24 Prozent höher als 1994.

2011 war nach Schätzungen des IWF im Gazastreifen ein Jahr starken Wachstums von 17 Prozent, während das Westjordanland in einem viel niedrigeren Mass von nur 4 Prozent zulegte. Trotzdem bleibt das Pro-Kopf-Einkommen im Westjordanland um 95 Prozent höher als im Gazastreifen; das ist, eine Diskrepanz, die die Unzufriedenheit in der Bevölkerung anheizt. In einer im Dezember vom Palestinian Center for Policy and Survey Research durchgeführten Umfrage hielten 47 Prozent der Befragten die Bedingungen im Gazastreifen für „schlecht“ oder „sehr schlecht“ – verglichen mit nur 30 Prozent im Westjordanland.

Arbeitslosigkeit: sinkend im Westjordanland, unverändert im Gazastreifen

Die Arbeitslosigkeit im Westjordanland ist kontinuierlich gesunken, von 19 Prozent im Jahr 2008 auf 16 Prozent in der ersten Hälfte von 2011, obwohl die Jugendarbeitslosigkeit im gleichen Zeitraum bei 26 Prozent blieb. Die generelle Arbeitslosigkeitsquote ist hoch, verglichen mit den zehn Prozent, die in den späten 1990er-Jahren erreicht wurde; damals hatte Israel den Palästinensern erlaubt, auf seiner Seite der Grünen Linie zu arbeiten. Im Jahr 2000 beschäftigte Israel 19 Prozent der Arbeitskräfte im Westjordanland, verglichen mit 12 Prozent heute. Daher haben trotz der höheren generellen Arbeitslosigkeitsquote heute mehr Palästinenser Arbeit im Westjordanland selbst gefunden als im Jahr 1999.

Die Arbeitslosigkeitsquote im Gazastreifen erreichte im Jahr 2008 einen Höchststand von 40 Prozent, bevor sie in den Jahren 2009 und 2010 auf 37 Prozent fiel. Die Quote für die unter Dreissigjährigen stagnierte von 2008 bis 2010 bei 53 Prozent. Die fehlende Korrelation zwischen dem Wachstum des BIP und den Arbeitslosigkeitsquoten im Gazastreifen zeigt dem IWF zufolge, dass die Erholung „vor allem den Unterbeschäftigten und weniger den neuen, meist jungen Einsteigern auf den Arbeitsmarkt“ nützte.

Die Armutsraten sprechen eine ähnliche Sprache. Im Jahr 2010 lebten 38 Prozent der Menschen im Gazastreifen unterhalb der Armutsgrenze, verglichen mit 18 Prozent im Westjordanland.

Hilfe von aussen: nur ein Teil des Unterschiedes

Einige Kritiker argumentieren, das Wachstum im Westjordanland sei vor allem durch stärkere Hilfe aus dem Ausland erleichtert worden. Auch wenn diese Vermutung nicht ganz unbegründet ist, so ist sie doch nur die halbe Wahrheit. Daten des IWF zeigen, dass die Abhängigkeit der PA von externer Unterstützung von 2008 bis 2010 etwa halbiert wurde; dadurch fiel sie von 32 Prozent des BIP auf 16 Prozent. 2011 ist sie ist Berichten zufolge noch weiter gefallen, auf 12 Prozent. Darüber hinaus wendet die PA einen grossen Teil ihrer Geldmittel im Gazastreifen auf; diese Ausgaben waren im Jahr 2010 höher als die ausländischen Hilfen für die PA.

Nächste Schritte

Um ihre Abhängigkeit von Beihilfen weiter zu reduzieren und ihren wirtschaftlichen Fortschritt zu verbessern, muss die PA weitere Massnahmen ergreifen, um die Situation vor Ort in Zusammenarbeit mit Israel zu verändern. Die Verwaltung von Fayyad und Präsident Mahmoud Abbas ist durch grössere Transparenz bei den öffentlichen Finanzen gekennzeichnet, einer Entpolitisierung der Sicherheitsdienste und einer ausgezeichneten Zusammenarbeit mit Israel in Sicherheitsfragen. Das ist ein entscheidender Faktor für den drastischen Rückgang des Terrorismus aus dem Westjordanland. Die Erfolge bei den Sicherheitsfragen wiederum haben dazu geführt, dass Israel Checkpoints entfernt hat. US-Beamten zufolge sind in diesem Jahr im Westjordanland nur noch drei grosse bemannte Checkpoints in Betrieb – im Vergleich zu 42 im Jahr 2007.

Die USA sollten beide Seiten ermutigen, auf diesem Erfolg aufzubauen, indem sie den Palästinensern mehr wirtschaftlichen Zugang zur Zone C gewährt, die 60 Prozent des Westjordanlandes ausmacht. Die Beschränkungen für Investitionen in dieser Zone zu lockern, wäre besonders von Vorteil, da hohe Arbeits- und Transportkosten bisher von privaten und ausländischen Direktinvestitionen im gesamten Westjordanland abhalten.

Die israelisch-palästinensische Zusammenarbeit in finanziellen und Sicherheitsfragen bleibt für den wirtschaftlichen Fortschritt sowohl im Westjordanland als auch im Gazastreifen weiterhin von entscheidender Bedeutung. Beide Seiten täten gut daran, kontroverse Entscheidungen, die eine zukünftige Abstimmung erschweren würden, zu vermeiden.

 

David Makovsky ist Ziegler distinguished fellow und Leiter des Project on the Middle East Peace Process am Washington Institute. Cory Felder ist Marcia Robbins-Wilf Young Scholar am Institute. Beide danken Rivka Cohen für ihre Beiträge zu diesem Artikel.

Originalversion: Tracking Economic Growth in the West Bank and Gaza since 2007 by David Makovsky with Cory Felder © The Washington Institute for Near Eastern Policy, PolicyWatch #1886, December 27, 2011. All rights reserved.