Die eigentliche iranische Bedrohung am Golf

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The aircraft carrier USS George H.W. Bush (CVN 77) transits through the Strait of Hormuz, October 9, 2011. (Wikimedia)

Die angriffslustige Rhetorik und Kriegsspiele des Iran im Golf haben in den letzten Tagen die Frage aufkommen lassen, ob Teheran die Strasse von Hormus blockieren könnte. Viele Beobachter meinen, das werde zumindest nicht über eine bedeutsame Zeitspanne hinweg gelingen. Ob der Iran es aber überhaupt versuchen würde? Auch hier muss die Antwort Nein lauten; auch nur der Ansatz eines Versuches hätte verheerende strategische Konsequenzen für den Iran.

Das Ziel solcher Blockadebemühungen wären vermutlich die Vereinigten Staaten. Doch auch wenn die USA von den aus einer Blockade resultierenden weltweit steigenden Ölpreisen natürlich betroffen wären, so beziehen sie doch nur wenig Erdöl aus der Golfregion. Nur 49 Prozent des inländischen Erdölverbrauchs der USA wird importiert, und mehr als die Hälfte dieser Importe stammen aus der westlichen Hemisphäre. Im Oktober 2011 beliefen sich weniger als 25 Prozent der US-Importe aus allen Golfstaaten zusammen – das ist weitaus weniger, als in den Strategischen Ölreserven der USA (U.S. Strategic Petroleum Reserve) zur Verfügung steht, wenn die Lieferungen aus dem Golf unterbrochen würden.

Foto: Harvard.edu;Middle East Strategie at Harvard

Chinas Öllieferungen hingegen würden durch ein iranisches Vorrücken zur Strasse von Hormus deutlich gefährdet. Chinas grösster Öllieferant ist Saudi-Arabien. Ausserdem ist China zufällig auch Hauptkunde für Öl aus dem Iran und sein vielleicht wichtigster Verbündeter: Bejing sorgt für ausgefeilte Waffensysteme für den Iran und für seine diplomatische Rückendeckung bei den Vereinten Nationen. Daher wäre die Blockade der Strasse ein strategisches Eigentor, da die Interessen des wichtigsten Patrons des Iran behindert  – und die Beziehung vermutlich deutlich getrübt – und ausserdem die eigene wirtschaftliche Versorgungslinie abgeschnitten würde, während die Rohöl-Vorräte der USA nur wenig betroffen wären.

Daher ist es wohl kein Zufall, dass China nach den angriffslustigen Statements aus dem Iran eiligst seinen Vize-Aussenminister Zhai Jun nach Teheran geschickt hat. In typischer undurchsichtiger Weise sagte das chinesische Aussenministerium lediglich, China hoffe, „dass Frieden und Stabilität in der Strasse von Hormus aufrechterhalten werden können“;  das ist der diplomatische Ausdruck für: „immer schön ruhig bleiben“.

Selbst wenn der Iran diese Überlegungen ignorierte und seine Bemühungen zur Absperrung weiterführte, würden die USA und andere alles daran setzen, diese offen zu halten; und wohl nicht nur das. Der Iran hat sich immer näher an eine Atomwaffe herangeschlichen; damit ist die Möglichkeit eines militärischen Schlags gegen den Iran immer drohender geworden. Präsident Obama ist zurückhaltend mit einer militärischen Drohung gegen den Iran, und er würde lange und intensiv darüber nachdenken, bevor er sich in einen bewaffneten Konflikt im Nahen Osten begibt.

Wenn der Iran den Ölhandel im Golf stilllegte, würde eine Entscheidung darüber vereinfacht. Die USA würden mit Gewalt reagieren, und wenn es erst einmal Kampfhandlungen mit dem Iran gibt, könnten sie die Gelegenheit zum Angriff auf die iranischen Nuklearanlagen und andere militärische Ziele nutzen.

Angesichts der naheliegenden Vermutung, dass der Iran weder dazu in der Lage noch vernünftigerweise versucht sein wird, eine Blockade der Strasse von Hormus in Angriff zu nehmen, könnten die USA sich einfach zurücklehnen und auf ihre überlegende militärische Schlagkraft vertrauen. Doch das wäre ein Fehler. Die wahre Gefahr im Golf geht von Aktivitäten des Iran aus, die sich auf Ebenen darunter abspielen: er beeinträchtigt die Schifffahrt und provoziert die US-Marine. Die iranischen Kommandanten in der Region werden zunehmend unverfrorener. Wenn er nicht abgeschreckt wird, könnte die Überzeugung des Iran, dafür schon nicht belangt zu werden, und nicht die Entwicklung einer Atomwaffe der Funke sein, der den Konflikt in der Region entfacht.

Die iranische Marine und besonders die Marine-Einheit der iranischen Revolutionsgarden hat in Schiffe und Bewaffnung investiert, die sie besser für einen asymmetrischen Krieg ausrüsten als für einen Konflikt von Schiff gegen Schiff, den der Iran mit Sicherheit verlieren würde. Mit chinesischer und russischer Hilfe hat sie zunehmend ausgeklügelte Minen, Kleinst-U-Boote, mobile Seezielflugkörper und eine Flotte kleiner, schneller Schiffe gekauft. Nach Berichten haben sie ausserdem versucht, ihre Sonder-Seekriegsführung und Kampfschwimmer weiter zu entwickeln.

Der Iran zeigt eine zunehmende Bereitschaft, die USA und verbündete Streitkräfte in der Region zu provozieren. Die bekanntesten Vorfälle ereigneten sich im März 2007, als 15 britische Marinesoldaten und Matrosen von einem Kommandanten der Revolutionsgarde gefangen genommen wurden. Doch es gibt zahlreiche weitere Vorfälle. Immer wieder haben iranische Kleinboote Scheinangriffe auf US-Flugzeugträger und Kriegsschiffe durchgeführt, mindestens einmal bereits in diesem Jahr.

Statt darauf zu warten, bis einer dieser Schachzüge erfolgreich ist und so in Zugzwang zu geraten, sollten die USA aktiv durch schärfere Abschreckungsmassnahmen den Iran davon abzubringen versuchen, die Grenzen der USA auszuloten.

Erstens sollten die USA ein aktiveres Programm militärischer Manöver wiederaufnehmen und durch Aktivitäten im Golf die Stärke der USA demonstrieren – und so erreichen, dass der Iran seine Aktionen in der Region überdenkt.

Zweitens sollten die USA ihre andauernde Unterstützung in der Golfregion auch nach dem Irak-Rückzug signalisieren, die Fähigkeiten der Verbündeten im Golf-Kooperationsrat  bei der Verteidigung von Küsten durch Luft- und Raketenabwehr stärken und ihre Streitkräfte in obengenannten Manövern mit einbeziehen.

Drittens sollten die USA dem Iran deutlich zu verstehen geben, dass sie bereit sind, weitere Provokationen mit gezielten militärischen Einsätzen zu beantworten.  Begrenzte Einsätze der Streitkräfte – zum Beispiel als Reaktion auf die iranische Marine in den späten 1980er oder gegen die Quds-Einheiten der Revolutionsgarden in den letzten Jahren – haben sich als wirksam erwiesen, den Iran zum Rückzug zu zwingen.

Die Beobachtung lehrt, dass die Folgen militärischer Einsätze unvorhersehbar sind; zu Recht sollten sie ausschliesslich mit Vorsicht und Bedacht ausgeführt werden.  Doch ein zu starkes Zurückschrecken vor dem Risiko könnte das Mittel der Abschreckung wirkungslos machen, die Unverfrorenheit des Iran bestärken und damit paradoxerweise ebenso riskant sein. Der klügste Weg ist weder Streitlust noch Passivität, sondern eine stramme Haltung, die dazu führt, dass der Iran es sich zweimal überlegen wird.

Michael Singh ist Managing Director des The Washington Institute.

Originalversion: The Real Iranian Threat in the Gulf by Michael Singh © The Washington Institute for Near East Policy, January 3, 2012. All rights reserved.