Das Weihnachtsfest

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© istock/ryan burke

Christliche Feste haben zum Teil ihre Wurzeln im jüdischen Festkalender, zum Teil schliessen sie aber auch an pagane römische Feste an. Zur ersten Kategorie gehören Ostern und Pfingsten, zur zweiten das Weihnachtsfest, das Fest der Geburt Christi. Nach Ostern ist es das zweitälteste der christlichen Feste. Das erste Weihnachtsfest, das wie heute am 25. Dezember gefeiert wurde, ist für Rom bezeugt und hat im Jahr 354 stattgefunden. Der 25. Dezember ist nach dem julianischen Kalender die Wintersonnenwende und das Fest des „sol invictus“, der unbesiegbaren Sonne. Es wurde schon sehr lange, seit 275 n.Chr. sogar offiziell als Staatsfest gefeiert. Die Christen haben das Fest der Geburt Christi auf diesen Tag gelegt, um Christus als unbesiegbares Licht der Welt und – wie es im Anschluss an ein von ihnen  auf Christus bezogenes Zitat aus dem Buch Maleachi heisst – als „Sonne der Gerechtigkeit“  gegen die heidnische Verehrung der Sonne abzugrenzen.

So deutlich nun aber ein paganer Festkalender die Wurzel des Weihnachtsfests ist, so deutlich verknüpfen die Geburtsgeschichten in der christlichen Bibel das Fest mit Traditionen der jüdischen Bibel und dem Kolorit des Landes Israel. Als eigentliche biblische „Weihnachtsgeschichte“ gilt die von der Geburt Jesu, wie sie im zweiten Kapitel des Lukasevangeliums erzählt wird. Sie hat einerseits etwas Idyllisches: ein jung vermähltes Ehepaar, Josef und Maria, macht sich auf nach Bethlehem, also in die Heimatstadt Josefs, der davidischer Abstammung ist. Die schwangere Frau gebiert dort ihren ersten Sohn, den sie notdürftig in Stoffreste wickelt und in eine Futterkrippe legt. Denn in dem Gasthof, in dem die beiden Reisenden unterkommen, ist sonst kein  anderer Platz mehr gewesen als in dem Raum der Karawanserei, in dem auch die Lasttiere Schutz finden. In der Nähe halten Hirten Nachtwache und erfahren durch einen himmlischen Boten (Engel genannt), dass eben dieser Säugling ein besonderes Kind ist: ein von Gott erwählter Retter, idyllischer übersetzt: Heiland.

Dieses göttlich erwählte Kind hat zu vielen etwas kitschigen, aber immer auch hoffnungsfrohen Erwartungen inspiriert. Ein Kind wird designiert, die Menschheit zu retten, deren Erwachsene in „Realpolitik“ verwickelt und verloren sind. Dass Bethlehem die Stadt Davids ist, der Herkunftsort des bedeutendsten Königs Israels, ist in dieser Geschichte von zentraler Bedeutung und beleuchtet ihre andere, die politische Seite. Denn dieses neugeborene Kind wird als der für die Endzeit vorhergesagte Nachfolger auf dem Thron Davids genannt: „Euch ist heute ein Retter geboren worden, der Gesalbte (König), der Herr in der Stadt Davids.“ Und so wird aus der Idylle mit Hirten eine politische Botschaft. Geboren wird der für die davidische Dynastie erwartete ewige Herrscher auf dem Thron Davids. Er wird übrigens schon in der entsprechenden Verheissung Nathans an David (2. Samuel 7,14ff)  im Verhältnis zu Gott Sohn genannt, was wohl als seine Adoption durch Gott und als Ehrentitel des jüdischen Königs zu deuten ist. Und wenn man genauer hinschaut, dann sind weitere politische Anspielungen nicht zu übersehen. Die Erzählung von der Geburt Jesu ist eingebettet in eine weltgeschichtliche Lagebeschreibung: Der Kaiser Augustus, der Herrscher der Welt, erlässt ein Steuergesetz. Ausgerechnet dies bringt die Eltern des Kindes nach Bethlehem, in Davids Stadt.

Das Lukasevangelium bringt die Geburt Jesu mit der Hoffnung auf die Befreiung Israels aus der Hand seiner Feinde und einer Erleuchtung der Völker in Verbindung. Es erwartet, dass schliesslich durch Jesusanhänger unter den Nichtjuden ein respektvolles Verhältnis zum Volk Israel erwächst. Das hat in der geschichtlichen Situation, die der Erzähler vor Augen hat, in der nämlich der Triumph im römischen Reich über die katastrophale Niederlage der Juden im Aufstand gegen Rom hämisch gefeiert wird, sinnenfällig geworden an der Zerstörung des Tempels und der Vertreibung der Juden aus ihrem Kernland, einen eigentümlichen Charme. Man kann geradezu von einer Solidaritätserklärung für das Volk Israel und seine Hoffnung auf Befreiung auf Seiten der Christusnachfolger sprechen. Wir wissen jedoch, dass andere, feindselige Traditionen daneben existierten und sich oft genug Vorherrschaft gesichert haben.  Aber die Schmähung der Juden war und bleibt immer auch für das Lukasevangelium und seine Geburtsgeschichte eine Schmähung Jesu Christi und eine Schmach der Christenheit. Das könnte auch ein Thema von Weihnachten sein.

Ekkehard W. Stegemann