Ein Ende von UNRWA fördert Frieden

2
Lesezeit: 5 Minuten
Al-Bass Palestinian Refugee Camp © istock/Joel Carillet

Seit Ende des Zweiten Weltkrieges konnten Millionen von Kriegsflüchtlinge die Flüchtlingslager und ihren Flüchtlingsstatus hinter sich lassen; sie sind in Länder gezogen, die sie – mal schneller, mal langsamer – als Bürger aufgenommen haben.  Das Nachkriegseuropa war 1947 eine Insel aus Heimatvertriebenen und Flüchtlingslagern mit 850.000 Menschen – Tschechen, Polen, Litauer, Deutsche, Letten, Griechen und viele andere Nationalitäten.  1952 existierte nur noch ein Flüchtlingslager, alle anderen konnten aufgelöst werden. Nach 1948 kamen Hunderttausend jüdische Flüchtlinge aus Europa nach Israel, und viele Hunderttausend weitere kamen aus arabischen  Ländern, aus denen sie nach 1956 und 1967 fliehen mussten. Die im Land geborenen Kinder und Enkelkinder dieser Flüchtlinge waren selber nie Flüchtlinge; so wie ihre Eltern nach Einreise umgehend die Staatsbürgerschaft erhielten, waren diese Kinder von Geburt an ebenfalls Staatsbürger eines neuen Landes. Viele Nationen und Behörden haben in diesem Verlauf eine wunderbare Rolle gespielt, nicht zuletzt der UN Hochkommissar für Flüchtlinge (UNHCR).

Die Palästinenser bilden eine Ausnahme in dieser Flüchtlingsgeschichte. In den meisten arabischen Staaten, in die sie nach 1948 entweder geflohen oder gereist sind, wurden sie oftmals schlecht behandelt und ihnen die Staatsbürgerschaft verweigert, wobei Jordanien die grosse Ausnahme ist, oder sogar das Recht, legal zu arbeiten. Statt unter den Schutz der UNHCR gestellt zu werden, erhielten sie ihre eigene Agentur – die UNRWA – UN Relief and Works Agency. Während der Jahrzehnte ihres Bestehens hat sie das palästinensische Flüchtlingsproblem weder gelöst, noch verkleinert; stattdessen leitet die UNRWA eine enorme Vergrösserung ihrer Agentur, da alle Nachkommen palästinensischer Flüchtlinge ebenfalls als Flüchtlinge angesehen werden.  Einst waren es 750.000 Menschen, heute fünf Millionen, die von der UNRWA als „palästinensische Flüchtlinge“ angesehen werden. Daher ist UNRWA nun auch die grösste UN Agentur mit einem 30.000 Personen grossen Mitarbeiterstab. UNHCR  sorgt sich um den Rest der Welt mit nur 7.500 Mitarbeitern.

Der politische Hintergrund dieser Geschichte ist einfach: Nur im Falle Israels gab es ein entschiedenes Widerstreben, die Geschehnisse während und nach dem Zweiten Weltkrieg anzunehmen, mit  der Gründung des jüdischen Staates und dem Bevölkerungszuwachs durch die Aufnahme jüdischer Flüchtlinge. Von weltweit allen Flüchtlingen, die UNHCR gewöhnlich versucht umzusiedeln, bilden nur die Palästinenser eine Ausnahme. UNRWA waltet über eine Generation nach der anderen von weiteren Flüchtlingen. Und die arabischen Staaten und Führer tun so, als ob sie eines Tages die Uhr zurückdrehen und sie samt ihren Kindern und Enkelindern und Urenkelkinder zurückschicken könnten – nach Israel.

Dies soll nicht zwangsläufig die alltäglichen Aktivitäten der UNRWA kritisieren, da die UN ihr diese Aufgabe zugeteilt hat. Es gibt und wird immer viele UNRWA Mitarbeiter geben, die zuverlässige internationale Beamte sind. Es besteht kein Zweifel, dass jegliche Änderung der  UNRWA-Funktion langsam und sorgfältig geschehen sollte, um unschuldige Menschen nicht zu schaden, die in internationalen politischen Kämpfen gefangen sind. Aber UNRWA sollte aufhören zu bestehen und die palästinensischen Flüchtlinge UNHCR unterstellt werden, mit der Absicht, sie wieder anzusiedeln.  Das sollte mit einer Neudefinition dessen beginnen, wer als Flüchtling anzusehen ist und Anspruch auf Leistung hat, sodass Leistung auf Bedürftigkeit und nicht auf Status beruht. Ferner sollten Palästinenser, die Staatsbürger eines anderen Landes sind, gar nicht erst als Flüchtlinge gelten – eine übliche Praxis für alle anderen Flüchtlingsgruppen weltweit. Warum sollten beispielsweise fast zwei Millionen Palästinenser in Jordanien, von den 90 Prozent die jordanische Staatsbürgerschaft haben, von der UNRWA überhaupt als Flüchtling anerkannt werden?

Falls diese Position eigensinnig erscheinen mag, sollte folgendes bedacht werden: 2010 kürzte Kanada seine Gelder für die UNRWA und gerade erst hat die niederländische Regierung geäussert, sie überlege die gleiche Massnahme. Wie haben sie das begründet? Der Aussenminister erklärte gegenüber dem Parlament, dass die Niederlande ihre Politik „gründlich überprüfen“ werde und die regierende Partei nannte die Flüchtlingsdefinition der UNRWA „besorgniserregend“.  Der Parteisprecher sagte, dass UNRWA „ihre eigene Flüchtlingsdefinition nutzt, anders als die der UN. Das Flüchtlingsproblem ist ein grosses Hindernis für den Frieden. Daher fordern wir die Regierung auf, diese Diskrepanz anzuerkennen, die zu palästinensischen Flüchtlingen der dritten Generation führt.“ Richtigstellung: vierte Generation, eigentlich.

Beachtenswert sind auch andere Kritikpunkte an UNRWA: Sie übersieht die Aktivitäten von Terrorgruppen in einigen Flüchtlingslagern oder gestattet Hamas-Mitgliedern und anderen terroristischen Gruppen, UNRWA Positionen zu bekleiden. Das sind jedoch Kritikpunkte, wie UNRWA ihre Aufgabe ausführt; das tiefgreifende Problem ist die Aufgabe an sich. Die Aufgabe könnte man beschreiben als Vergrösserung des palästinensischen Flüchtlingsproblems auf immer und ewig und dadurch eine ungemeine Erschwerung des israelische-palästinensischen Friedensabkommens, wenn nicht sogar eine Verunmöglichung.

Die Auflösung der UNRWA würde den Palästinensern, die ausserhalb des Westjordanlandes und Gazas leben, einen grossen Gefallen erweisen,  unter der Annahme, dass die von ihr erteilten erforderlichen Leistungen durch andere Agenturen oder den Regierungen derjenigen Länder bereit gestellt würden, in denen sie leben. Eines Tages werden einige dieser Personen ins Westjordanland oder nach Gaza umziehen, aber dafür brauchen sie nicht die UNRWA. Keiner von ihnen wird je nach Israel umsiedeln und das Bestehen von UNRWA trägt zur Aufrechterhaltung dieses grausamen Mythos bei, dass sie es doch werden.

Heute scheint der „Friedensprozess“ festgefahren; am Horizont sind keine verhandelten endgültigen Siedlungen zu sehen. Dennoch gibt es einiges, was für den Frieden unternommen werden könnte, wie beispielsweise der Aufbau palästinensischer Einrichtungen und die Verbesserung der Wirtschaft im Westjordanland. Die Auflösung der UNRWA wäre ein Anfang auf dem Weg zum Frieden, denn das endlose Fortbestehen des palästinensischen Flüchtlingsproblems würde durch einen Ablauf ersetzt, der es nicht nur im Umfang verringern, sondern letztendlich eines Tages gänzlich lösen würde.

From CFR.org. Reprinted with permission. For more analysis and blog posts on the Middle East and foreign policy, visit CFR.org.

Originalversion: Ending UNRWA And Advancing Peace by Elliot Abrams © Council on Foreign Relations, December 19, 2011. Deutsche Übersetzung © Audiatur-Online.

2 Kommentare

  1. Ja nun, es gibt da noch ein Volk, das kam nach fast 2000 Jahren zurück in sein Herkunftsland, und hat jahrhundertelang stolz auf seinen Eigenheiten beharrt…warum sollten sich dann die Palästinenser nach 60 Jahren in Luft auflösen???
    Können Sie nicht mal die Scheuklappen abnehmen und sich ein einziges Mal in deren Lage versetzen? Auch Palästinenser in vierter Generation sind Flüchtlinge, was denn sonst?

Kommentarfunktion ist geschlossen.