Das Christentum im Nahen Osten

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Elliot Abrams © CFR
Elliot Abrams © CFR

Der Rückgang des Christentums im Nahen Osten ist ein schmerzhaftes, aber kein neues Thema. Die christliche Gemeinschaft im Libanon muss jetzt unter dem Schatten der Hisbollah leben. Die christliche Gemeinschaft im Irak ist vielen Schätzungen zufolge von einer Million auf die Hälfte reduziert worden. Und nun leiden Ägyptens Kopten unter Gewalt, so dass bereits viele Tausende geflohen sind; sicherlich werden ihnen noch viele folgen.

Das Europäische Parlament hat im Oktober eine Resolution verabschiedet, die die ägyptische wie auch die syrische Regierung beschuldigt, Christen zu verfolgen. Über Ägypten heisst es dort:

“Seit März 2011 haben Berichten zufolge Zehntausende von koptischen Christen Ägypten verlassen. Am 9. Oktober wurden in Kairo während eines von Kopten organisierten friedlichen Marsches mindestens 25 Menschen getötet und mehr als 300 verletzt. Das Parlament verurteilt die Tötung der Demonstranten in Ägypten entschieden und betont die Wichtigkeit einer unabhängigen und transparenten Untersuchung. Die Regierungsverantwortlichen sollen gewährleisten, dass Kopten nicht zum Opfer gewalttätiger Angriffe werden und in Frieden leben und ihren Glauben im gesamten Land frei ausüben können. Die Mitglieder des Europäischen Parlaments (MdEPs) fordern einen Schutz der Kirchen, um ihrer Zerstörung und der fortwährenden Aggression durch islamische Extremisten ein Ende zu setzen.”

Über Syrien fügt das Europäische Parlament hinzu:

“Die MdEPs sind ebenfalls tief besorgt über die Situation der Christen in Syrien. Die Resolution stellt fest, dass Tausende von irakischen Christen nach Syrien gegangen sind, um gezielter Gewalt im Irak zu entkommen. Dennoch scheint der Anteil der Christen in Syrien von zehn auf acht Prozent der Gesamtbevölkerung gesunken. Das Parlament verurteilt Handlungen, die zu interkonfessionellen Konflikten anstacheln, drängt die syrischen Behörden dazu, zuverlässigen und effizienten Schutz für die christlichen Gemeinden zu bieten, und drückt seine Unterstützung für die Christen im Land aus.”

Zu den Schwierigkeiten, denen Christen im gesamten Nahen Osten begegnen, gesellt sich eine Ausnahme: Israel. Nur im jüdischen Staat wachsen die christlichen Gemeinden.

Ein Bericht der Associated Press stellte fest: “In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat das Heilige Land mit den bedeutendsten Zustrom von Christen seit der Zeit der Kreuzfahrer erlebt, und sie haben eine völlig neue christliche Landschaft geschaffen, die von den israelischen Gegebenheiten geprägt ist. Unter den Neuankömmlingen sind Gastarbeiter aus einem Dutzend Länder, die die Wirtschaft mit billigen Arbeitskräften versorgen, und Asylsuchende aus dem Sudan, Eritrea und anderen Ländern Afrikas, die über die Grenze aus Ägypten ins Land gelangen. Und zum ersten Mal gibt es eine bedeutende Anzahl nicht-arabischer christlicher israelischer Bürger, die, anders als die Araber, gänzlich im jüdischen Mainstream assimiliert sind… Kürzlich ertönten sonntagmorgens in der Kapelle des Klosters Ratisbonne mitten in Jerusalem die Kirchenlieder auf Tagalog, einer Sprache aus den Philippinen.”

Es gibt viele Tausende von neu zugewanderten Katholiken, russischen Orthodoxen, äthiopischen Orthodoxen und anderen christlichen Gruppen, und dies führt zu Neuerungen wie einem katholischen Katechismus und russisch-orthodoxen Gottesdiensten auf Hebräisch. „An solch einen Zustrom hat die Kirche nicht einmal im Traum gedacht“, meint ein orthodoxer Priester.

Während die Christen in Israel also prosperieren, stehen sie in vielen benachbarten muslimischen Ländern unter starkem Druck. Europäer und amerikanische Feinde Israels wie die berühmten Professoren Stephen Walt und John Mearsheimer schreiben die amerikanische Unterstützung für Israel meist der „jüdischen Lobby“ zu. Doch es gibt amerikanische Christen, die mehr über den Nahen Osten wissen als diese angeblich kultivierten Kritiker, und sich des Schicksals ihrer Glaubensgenossen bewusst sind. Sie sehen, dass sich das Christentum in Israel frei entfalten kann und nicht weit entfernt aber mit Gewalt und Unterdrückung konfrontiert ist. Dass die Christen in Israel ihren Gottesdienst ungehindert abhalten können, aus zahlreichen arabischen Ländern aber fliehen. Komplizierte politikwissenschaftliche Analysen sind hier genauso wenig notwendig wie Bigotterie: Wer verstehen möchte, warum amerikanische Christen mit überwältigender Mehrheit Israel unterstützen, sollte sich anschauen, welche Behandlung und welches Schicksal das Christentum im Nahen Osten erfährt.

From CFR.org. Translated and republished with permission. For more analysis and blog posts on the Middle East and foreign policy, visit CFR.org.

Originalversion: Christianity in the Middle East by Elliott Abrams © Council on Foreign Relations, October 31, 2011. Deutsche Übersetzung © Audiatur-Online.

 

1 Kommentar

  1. Die Aussagen von Elliot Abrams sind mehr als nur zutreffend und dafür bedanke ich mich bei zahlreichen Israelis, welchen ich in den letzten Jahren begegnet durfte. Eine Gesellschaft, die entgegen allen Widerwärtigkeiten der Geschichte und Nachbarschaft eine solch scharfsinnige Toleranz lebt, ist offensichtlich eine weltweite Einzigartigkeit. Ich bedaure nur, dass diese israelische Leistung aus der "christlichen, freien" Welt zuwenig honoriert oder streckenweise ganz ignoriert wird.

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