UNESCO und die Palästinenser

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Sofern die Palästinenser nicht überzeugt werden können, ihren Antrag zurückzuziehen, wird die Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft, Kultur und Kommunikation (UNESCO) am kommenden Montag darüber abstimmen, „Palästina“ als volles Mitglied aufzunehmen. Ist der palästinensische Antrag erfolgreich, würde dies den automatischen Stopp der amerikanischen Finanzierung nach sich ziehen und damit etliche der UNESCO-Programme lebensunfähig machen.

Ein Gesetz, das der US-Kongress vor über 15 Jahren verabschiedete, verpflichtet die Obama-Regierung dazu, sich aus jeder UN-Organisation zurückzuziehen, die Palästina als vollen Mitgliedsstaat akzeptiert, bevor es einen Friedensvertrag mit Israel gibt.

Die Vereinigten Staaten finanzieren etwa 22 Prozent des UNESCO-Budgets, rund $70 Millionen jährlich. Laut der Webseite der US-Mission bei UNESCO würden unter anderem folgende Programme von einem amerikanischen Zahlungsstopp betroffen:

  • Frühwarnsysteme für Tsunamis, einschliesslich besonderer Risiken für Küsten, die unter anderem Haiti betreffen
  • Die Erforschung von Erdbebengefahren in der östlichen Mittelmeerregion, somit auch der Türkei, die gerade diese Woche von einem tödlichen Erdbeben erschüttert wurde
  • Alphabetisierungsunterricht rund um die Welt
  • Berufsschulen in Afghanistan
  • Die NGO „Unterrichte für den Libanon“
  • Programme, um die Gesundheit der Weltmeere zu erforschen und zu erhalten

…und die Liste hört hier längst nicht auf.

In einem Brief an die Washington Post vom 21. Oktober schrieb UNESCO-Generaldirektorin Irina Bokova:

“UNESCO unterstützt viele Projekte, die den Sicherheitsinteressen der USA dienen. In Afghanistan und Irak helfen wir Regierungen und Gemeinden, sich auf das Leben nach dem Rückzug der US-Truppen vorzubereiten. Wir unterstützen das Alphabetisierungs-Programm der afghanischen nationalen Polizei und leiten das grösste Bildungsprogramm des Landes, das rund 600.000 Menschen in 18 Provinzen erreicht. Wir arbeiten mit den Vereinigten Staaten zusammen, um demokratische Freiheiten zu fördern. Mit seinem Mandat, das Recht auf freie Meinungsäusserung zu stärken, steht UNESCO rund um die Welt für jeden Journalisten ein, der attackiert oder getötet wird. In Tunesien und Ägypten leiten wir die Bildungsreform und bilden Journalisten aus. Wir zielen auf die Gründe des gewalttätigen Extremismus, in dem wir Lehrer in Menschenrechten und Holocaust-Erinnerung unterrichten.“

Autor Jonathan Toby schrieb jedoch kürzlich in der US-amerikanischen Monatszeitschrift Commentary: „In den letzten Jahren hat [die UNESCO] in Konflikten in Jerusalem Partei ergriffen, in dem sie die Arbeit israelischer Archäologen kritisierte, die historische jüdische Stätten in der Stadt freigelegt hatten, dabei jedoch nichts sagte über die Unterstützung der Palästinensischen Autonomiebehörde für Vandalismus an Altertümern auf dem Tempelberg durch das muslimische Gremium, das die Stätte verwaltet. Sie hat zudem historische jüdische heilige Stätten wie das Grab Rachels bei Bethlehem und das Grab der Patriarchen in Hebron zu Moscheen erklärt. Sollte die UNESCO Palästina als Mitgliedsstaat anerkennen, würde dies die Eile, mit der sie die Delegitimierung jüdischen Erbes betreibt, verdoppeln.“

Die UNESCO, deren Sitz sich in Paris befindet, verfolgt ihre Ziele durch fünf wesentliche Programme: Erziehung, Naturwissenschaften, Sozial- und Geisteswissenschaften, Kultur und Kommunikation und Information.

Die Palästinenser legten ihren Antrag auf Mitgliedschaft dem Exekutivausschuss der UNESCO erstmals Anfang Oktober vor, der mit 40 zu vier Stimmen (bei vier Enthaltungen) für die volle Mitgliedschaft votierte. USA, Deutschland, Lettland und Rumänien stimmten gegen den Antrag. Die meisten europäischen Länder enthielten sich. Mit Ausnahme der Elfenbeinküste, die sich enthielt, stimmten alle 13 afrikanischen Länder des Ausschusses für den Antrag. Viele dieser Staaten empfangen grosse Summen amerikanischer Entwicklungshilfe.

US-Offizielle sagen, sie hätten massive diplomatische Bemühungen unternommen, um befreundete Länder dazu zu bewegen, Druck auf die Palästinenser auszuüben, damit diese nicht auf der Abstimmung bestehen. Laut dieser Offiziellen gibt es weit verbreitete internationale Bestürzung über die Aussicht, dass die USA gezwungen sein könnte, sich aus der Organisation zurückzuziehen, die weltweit soviel wertvolle Arbeit leistet.

Es wäre nicht das erste Mal, dass die USA sich aus der UNESCO zurückzieht, aber es wäre der erste unfreiwillige Rückzug. Im Jahr 1984 hatte die USA bereits ihren Beitrag einbehalten und sich aus der Organisation zurückgezogen, weil sie die Einstellung der UNESCO als anti-westlich empfand. Grossbritannien folgte der USA in diesem Schritt ein Jahr später. Nach dem Regierungswechsel 1997 trat Grossbritannien der UNESCO wieder bei. Die USA schloss sich der Organisation 2003 wieder an, nachdem sie zu dem Schluss gekommen war, dass die Organisation in positiver Weise an dem Problem arbeite.

Bisher haben die Palästinenser sich geweigert, von ihrer Initiative zurückzutreten, trotz des Schadens, den ihre Mitgliedschaft für viele Länder bedeuten würde, die mit dem Nahostkonflikt keinerlei Verbindung haben. Quellen nahe des Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) Mahmud Abbas sagen, er sei verzweifelt bemüht, seiner Bevölkerung einen greifbaren Erfolg zu präsentieren, nachdem der Gefangenenaustausch zwischen Israel und Hamas in der vergangenen Woche die Popularität der Hamas auf Kosten der PA gestärkt hat. Eine Mehrheit der 193 Mitgliedsstaaten der UNESCO ist nicht willens, sich dem palästinensischen Antrag entgegenzustellen, sollte es zu einer Abstimmung kommen.

Warum sind die Palästinenser so erpicht darauf, UNESCO beizutreten? Einerseits nehmen sie an, dass eine solche internationale Anerkennung ihren Bemühungen für einen eigenen Staat zuträglich wäre. Zudem könnten sie die Mitgliedschaft jedoch auf verschiedene Weise nutzen, um Probleme für Israel zu schaffen: Mittels der Welterbekonvention könnten sie sich etwa darum bemühen, Bethlehem als palästinensisches Erbe anerkennen zu lassen, dessen Grenzen sie selbst festlegen würden. Andere Stätten, die ebenso definiert werden könnten, schliessen das Grab der Patriarchen in Hebron, Rachels Grab bei Bethlehem und Josephs Grab bei Nablus ein. Letzteres wurde im Jahr 2000 von den Palästinensern geplündert und zerstört, kurz nachdem die israelischen Verteidigungskräfte (IDF) die Kontrolle der Stätte an die PA übergeben hatten.

Quelle: TIP – The Israel Project, 30.10.2010