Theologischer Rückfall

3
Lesezeit: 4 Minuten

Die Christlich-Jüdische Arbeitsgemeinschaft (cja) -Schweiz wertet das Kairos-Palästina-Dokument als theologischen Rückfall. Sie wehrt sich gegen die darin enthaltene Herabsetzung der Juden und betont, dass der Gott der Bibel seinen Bund mit Israel nie gekündigt hat. Darum dürfen biblische Texte auch nicht – wie im Dokument – einseitig antiisraelisch instrumentalisiert werden. Die cja bittet die Kirchen, sich nicht auf eine antiisraelische Propaganda einzulassen. Sie erwartet vom Ökumenischen Rat der Kirchen, in Israel und den palästinensischen Autonomiegebieten mit allen drei grossen Religionen zu reden, die Juden also nicht auszuklammern.

Die cja Schweiz hält das sogenannte Kairos-Palästina-Dokument für sehr problematisch. Sie anerkennt das Anliegen der palästinensischen Christinnen und Christen, auf ihre durch manche bittere Erfahrung geprägte Situation der Not und Verzweiflung aufmerksam zu machen. Wenn dies jedoch schon unter einem propagandistischen Titel geschieht, der eine Parallele zur Apartheidpolitik Südafrikas herstellt, hält die cja das für das entschieden falsche Mittel. Zu kritisieren für diese Aufmachung ist auch die Rolle des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK), der das Dokument so weltweit verbreitet hat. Uns enttäuscht das Kairos-Palästina-Dokument nicht zuletzt wegen seines theologischen Rückfalls in eine Vergangenheit, die durch Herabsetzung der Juden und eine Strategie der „Enterbung“ gekennzeichnet ist. Es tritt zwar sehr „rechtgläubig“ auf, indem es mit trinitarischem Glaubenbekenntnis am Anfang und einer Gliederung entlang den drei christlichen Tugenden, Glauben, Hoffnung, Liebe, auftritt. In den Ausführungen wird allerdings deutlich, dass sich dieses Bekenntnis nicht auf den Gott der christlichen Bibel bezieht. Dieser nämlich ist nach Paulus der Gott seines Volkes Israel und aller Völker und hat seinen Bund mit Israel nie gekündigt. Diese unlösbare Beziehung des biblischen Gottes zu seinem Volk haben nach dem Holocaust Christinnen und Christen aus der Lektüre der Heiligen Schriften wieder gelernt und begonnen, die Theologie der Verwerfung – die Behauptung, Gott habe sein Volk verworfen, weil es Christus nicht als den Messias anerkenne – zu verlernen. Das ist nicht zuletzt der Grund dafür, dass Jüdinnen und Juden in der cja ein Bündnis des Vertrauens, des gegenseitigen Respekts und der Solidarität mit Christinnen und Christen geschlossen haben. Wir wehren uns deshalb dagegen, dass das Dokument biblische Texte offen oder unterschwellig für eine einseitige, ja antiisraelische politische Position instrumentalisiert. Was in diesem Dokument theologisch geäussert wird, halten wir auch für eine Erneuerung der antijüdischen Enterbungslehre, also das Absprechen der Heilszusage Gottes an sein Volk Israel. Die cja weiss darum, dass der Konflikt im Nahen Osten vertrackt ist. Aber sie tritt für das Existenzrecht des Staates Israel und sie tritt für einen in völkerrechtlich geordneter Weise errichteten palästinensischen Staat ein, der Seite an Seite und in Frieden und Sicherheit mit dem jüdischen Staat lebt.

Eine palästinensische Staatswerdung auf Kosten der Sicherheit oder gar an der Stelle eines jüdischen Staates wird von der cja vehement abgelehnt. Die cja verurteilt deshalb die an finstere Zeiten erinnernden Boykottaufrufe in der Schweiz. Auch das Kairos-Palästina-Dokument ruft dazu auf. Sie sind ganz und gar nicht geeignet, zur Versöhnung und zur friedlichen Schlichtung beizutragen, sondern giessen nur Öl ins Feuer.

Wenn das Dokument davon spricht, dass „unser Land einen universellen Auftrag hat“, aber die Juden im Land Israel niemals in dieses „unser“ einbezieht, dann werden wir hellhörig. Dann erinnern wir uns daran, dass Jüdinnen und Juden einmal in Europa zu denen gezählt wurden, die nicht zu „uns“ gehören.

Die cja bittet die christlichen Kirchen in der Schweiz, den Weg der Erneuerung des Verhältnisses zum Judentum nicht durch einseitige antiisraelische Propaganda in Frage stellen zu lassen. Sie setzt darauf, dass die Erkenntnisse aus den jahrzehntelangen christlich-jüdischen Gesprächen in die Beurteilung des Dokuments einfliessen. Weiter erwartet sie vom Ökumenischen Rat der Kirchen, dass dieser sein Engagement in Israel und den palästinensischen Autonomiegebieten auf ein Gespräch der drei grossen Religionen ausweitet. Das Ausklammern jüdischer Religionsvertreter verunmöglicht letztlich den notwendigen Friedensprozess, den der ÖRK ausdrücklich unterstützt. Die cja sieht die Situation der palästinensischen Christinnen und Christen mit dem Konflikt zwischen Israel und der palästinensischen Autonomiebehörde allein nicht als angemessen erfasst. Auch Ausgrenzungen durch muslimische Palästinenser, Bedrohung durch die Hamas sowie die Auswanderung palästinensischer Christinnen und Christen aus Bethlehem und anderen Städten gehören dazu. Erst wenn diese komplexe Situation zur Diskussion kommt, kann das Anliegen der palästinensischen Christinnen und Christen wirklich gehört und deren Situation zum Besseren gewendet werden.

Christlich-Jüdische Arbeitsgemeinschaft Schweiz zum Kairos-Palästina-Dokument

3 Kommentare

  1. Wie soll, denn ein Palästinensischer Staat entstehen?
    78% der Palästinenser hatten, bei Wahlen damals, die Hamas gewählt.
    Die PLO Charta wurde zwar 1996 erneuert, aber darin steht in §3 : "Das arabische palästinensische Volk ist der legale Herr des Hauses in seinem Vaterland."( Gemeint ist Israel!)
    § 13 : " Die Teilung Palästinas, die 1947 stattfand und die Gründung des Staates Israel sind völlig ungültig!"
    Zudem vermisste ich die aufbegehrenden Stimmen der palästinensischen Christen von damals, als Israel während der letzten Intifada, so viele Opfer wegen eingeschmuggelten Bomben von palästinensischen Terroristen zu beklagen hatte.

  2. Welcher Staat basiert schon auf der Bibel? Ein Schweizer Staat ist bliblisch auch nicht vorgesehen!!!
    Palästinenser haben ein Anrecht auf einen Staat wie viele andere Völker auch. Es gibt keinen rationalen Grund, ihnen das zu verweigern.

  3. Auch wenn – aus meiner biblischen Sichtweise – ein "Palästinenserstaat" in er Bibel – prophetisch gesehen – nirgens vorgesehen(sh. auch Joel 3), und deshalb ein Unding* wäre, möchte ich der cja für die sonst ausgezeichnete Stellungnahme danken.

    *man denke nur an das Fundament eines solchen antisemitischen Staates mit klarem Hang zum Nationalsozialismus(an ihren Früchten werdet ihr sie erkennen……)

Kommentarfunktion ist geschlossen.