Die Rechte von Frauen und Empowerment

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Die Gleichstellung der Geschlechter als grundsätzliches Menschenrecht zu verfechten, hat sich gerade in den Ländern, in denen es um die Rechte der Frauen am schlechtesten bestellt ist, nicht als fruchtbar erwiesen. Ein entscheidender Schritt zu einer stärkeren Stellung der Frau wäre die Veränderung des Gesprächsansatzes und die Einbeziehung in das Thema „nationale Sicherheit“.

Im Juli 2010 gründete die Generalversammlung der Vereinten Nationen die United Nations Entity for Gender Equality and the Empowerment of Women, die Einheit der Vereinten Nationen für die Geschlechtergleichstellung und die Stärkung der Stellung der Frau, (UN-Women, dt. UN-Frauen) mit dem Ziel, eine zielführende, besser organisierte und vereinte Kampagne für die Gleichstellung der Geschlechter und die Stärkung der Stellung der Frau (Empowerment) zu schaffen. Aktuelle Studien stützen die Behauptung von UN-Women, dass geschlechterspezifische Ungleichheit auf dem Arbeitsmarkt, bei den Einkommen, in der Ausbildung und bei der Gesundheitsversorgung „nach wie vor tief in jeder Gesellschaft verwurzelt sind” und dass Frauen noch immer unter Gewalt und Diskriminierung leiden, sowie „in politischen und ökonomischen Entscheidungsprozessen unterrepräsentiert sind”. Die Änderung dieser Ungleichbehandlung wird als politische Entwicklungsaufgabe wahrgenommen, der nicht die gleiche Bedeutung zugemessen wird wie der Verteidigung oder der nationalen Sicherheit; wenn es um Entwicklung oder Sicherheit geht, hat die Sicherheit immer Vorrang. Wenn nun die Stärkung der Stellung der Frau zu einer Angelegenheit der nationalen Sicherheit gemacht würde, träte eine rasante Veränderung bezüglich der Rechte der Frauen ein – dies umso mehr, als es in der Welt nach 9/11 einfacher ist, Zustimmung und Unterstützung für Strategien und Programme zu gewinnen, die unter dem Banner  „nationale Sicherheit” stattfinden.

Im Juni 2011 führte die Thompson Reuters Foundation eine Website für Fachleute ein, TrustLaw Women, die Rechtsberatung beim Kampf  gegen geschlechtsspezifische Diskriminierung und Gewalt anbietet. TrustLaw Women hat nach einer Befragung von über 200 Gender-Fachleuten aus verschiedensten Bereichen fünf Länder erhoben, in denen zu leben für Frauen am gefährlichsten ist. Die zugrunde liegenden Kriterien sind  unter anderem Menschenhandel, Gesundheit und sexuelle Gewalt. Die fünf Länder sind Afghanistan, die Demokratische Republik Kongo (DRC), Pakistan, Indien und Somalia. Vier von ihnen erhalten enorme Summen von Hilfsgeldern von der Völkergemeinschaft und eins ist die „grösste Demokratie der Welt“.

Wenig überraschend ermittelte der Bericht Afghanistan als das Land, in dem die Lebensqualität für Frauen am schlechtesten ist. Es hat eine der höchsten Müttersterblichkeitsraten und eine der weltweit höchsten Analphabetismusraten unter Frauen und Mädchen. Unlängst haben die Taliban ihre Kampagne der sogenannten Night Letters (Drohbriefe) wiederaufgenommen, die darauf ausgelegt ist, Frauen einzuschüchtern oder zu vergiften.

Trotz der weltweit  zweitgrössten Anzahl an stationierten UN-Friedenstruppen mit dem Mandat, die Zivilbevölkerung zu schützen, steht die Demokratische Republik Kongo in Thompson Reuters Bericht an 2. Stelle. Von den Vereinten Nationen wird das Land als „Vergewaltigungshauptstadt der Welt” bezeichnet.

Pakistan, wo Frauen Säureanschläge, Verheiratung von Minderjährigen und Zwangsehen sowie physische Gewalt als Bestrafung und Vergeltung erdulden müssen, steht auf dem 3. Platz, und Indien, ein wenig überraschend, an 4. Stelle wegen des massiven Menschenhandels, der weitgehend im Inland stattfindet (von den drei Millionen Prostituierten im Land sind 40% Kinder). Indien hat auch weltweit die höchsten Abtreibungs- und Kindstötungsraten von Mädchen, da Eltern aus kulturellen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Gründen lieber Jungen bekommen.

Somalia schliesslich steht an 5. Stelle; die Frauen dort leiden in hohem Masse unter Vergewaltigung, Verstümmelung der weiblichen Genitalien sowie beschränktem Zugang zur Schulbildung und Gesundheitsvorsorge; dies führt zu einer hohen Müttersterblichkeitsrate.

Seit den 1990er-Jahren ist die Völkergemeinschaft bestrebt, für mehr „menschliche Sicherheit” zu sorgen – die sich als Freiheit von Mangel und von Furcht zeigt. Dies hat zu einigen bedeutenden Veränderungen in der internationalen Politik geführt, etwa  zur strafrechtlichen Verfolgung von Personen, die sexuelle Gewalt ausüben. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat Resolutionen verabschiedet, die das Geschlechterthema in den Mittelpunkt von  Friedensmissionen stellen und ein Ende der sexuellen Gewalt fordern. Durch zahlreiche Initiativen hat die Wirtschaftswelt versucht, die ökonomische Stellung der Frau und ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit zu stärken – Mikrofinanz ist dafür ein Beispiel. Bei allem bleibt die Frage, weshalb Frauen nach wie vor solch immense Menschenrechtsverletzungen erfahren.

Die Antwort liegt, wie Hilary Charlesworth vor mehr als einem Jahrzehnt anmerkte, in der geschlechtsspezifischen Natur internationaler Beziehungen. Wenn die Ungleichbehandlung der Geschlechter nicht zu einer Angelegenheit der nationalen Sicherheit gemacht wird, wird damit die Gelegenheit versäumt, diejenigen herauszufordern, die die Geschlechterfrage in der „Privatsphäre” zu halten bemüht sind. In keinem der fünf Länder der Thompson Reuters-Studie verbinden  sich  die Geschlechterfragen mit denen der nationalen Sicherheit. Die Rechte der Frauen zu einer Frage der nationalen Sicherheit zu machen, ermöglicht einerseits, Personen zu bestrafen, die archaische kulturelle oder religiöse Praktiken zur Unterwerfung von Frauen anwenden. Andererseits wird so der nationale Diskurs über die Geschlechter verändert. Frauen erweisen sich  als fähige Ernährerinnen, Unternehmerinnen und Entscheidungsträgerinnen – der Nutzen, der für den Staat daraus erwächst, Frauen Landbesitz oder Schulbildung zu ermöglichen, müsste aufgezeigt werden.

UN-Women, Gender-Anwälte, Geberstaaten und Schwellenländer wie China und Brasilien, die in den Entwicklungsländern in hohem Masse investieren, müssen das Thema dort ansprechen, wo die Stärkung der Stellung der Frau nicht im Blick ist. Sie können darauf hinweisen, dass beispielsweise mit jedem Jahr, das ein Mädchen an einer weiterführenden Schule verbringt, ihr zukünftiger Arbeitslohn um 15–20 Prozent steigt. Dies hat einen nachhaltigen Einfluss auf das Wachstum und die Stabilität eines Staates. Auch wenn das ökonomische Argument vom „Investieren in Frauen” dazu beiträgt, Mythen bezüglich der Geschlechterrollen aufrechtzuerhalten, ist es eine  Sprache, die das von Männern dominierte politische System versteht. Es müssen die konkreten Vorteile gezeigt werden, die mit der Stärkung der Stellung der Frau einhergehen, anstatt anzuführen, dass sie ein Grundrecht ist. Es wäre möglich, die Gleichstellung der Geschlechter zu fördern, wenn der Diskurs verändert und nationale Sicherheit als Argument verwendet würde.

Dr. Isaac Kfir – ICT Senior Researcher

Kurzfassung der Originalversion: Women’s Rights and Empowerment –The Need for a National Security Approach by Dr. Isaac Kfir – ICT Senior Researcher, ICT, August 7, 2011