Al-Quds-Tag: Ein iranischer Exportartikel

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Heute am  26. August jährt sich der sogenannte Al-Quds (Jerusalem)-Tag, der die Unterstützung für die „palästinensische Sache“ und „die Befreiung  Jerusalems“ ausdrücken soll. Weltweit finden  Demonstrationen statt, auf denen Israel diffamiert oder– je nach Ort – sogar dessen Zerstörung gefordert wird. Der Kampf gegen den „US-Imperialismus“ und die „westliche Arroganz“ wird an den Aufmärschen und Demonstrationen ebenfalls gross geschrieben.

Seinen Ursprung hat der Al-Quds-Tag im Iran, wo er als gesetzlicher Feiertag gilt. Am 7. August 1979 rief der Revolutionsführer Ayatollah Khomeini alle Muslime der Welt auf, am letzten Freitag des Fastenmonat Ramadan den Al-Quds-Tag zu begehen, um „ihre internationale muslimische Solidarität zur Unterstützung der legitimen Rechte des muslimischen palästinensischen Volkes erklären.“ (1) Die „Befreiung von Jerusalem“ war bereits zu dieser Zeit ein Thema! Der prominente iranische Kleriker Ayatollah Shirazi erklärte kurz vor dem ersten Al-Quds-Tag: „Das muslimische iranische Volk kann auf seinen ersten Sieg nicht stolz sein, so lange Jerusalem, die wichtigste Pilgerstätte der Muslime und das Land der Palästinenser durch schmutzige Elemente besetzt wird.“ (2)

So nahmen am ersten Al-Quds-Tag am 17. August 1979 in Teheran über 3.5 Millionen Menschen teil, auch in den iranischen Provinzen sollen mehrere Millionen Menschen aufmarschiert sein und tausende israelische und verbrannt haben. (3)

Als Teil der iranischen Strategie des Revolutionsexports wurde der Al-Quds-Tag auch in arabische und muslimische Länder verbreitet. (4) Durch den Revolutionsexport bezweckt das iranische Regime die Einflussnahme auf die lokale schiitische Bevölkerung in anderen Ländern.

Al-Quds-Tag im Libanon 2003

Die grössten Demonstrationen ausserhalb des Iran finden im Libanon statt: Hier werden Aufmärsche der Hisbollah –  dem erfolgreichsten Revolutionsexport des Irans – organisiert in Form von Militärparaden, die die Stärke der Hisbollah gegen aussen demonstrieren sollen. (5)

Letztes Jahr wurden Al-Quds-Demonstrationen in Indien, Pakistan, Aserbaidschan, Syrien, der Türkei und im Gazastreifen organisiert. In der Vergangenheit fanden auch Kundgebungen in südostasiatischen Ländern wie Bangladesch oder Indonesien oder etwa Nigeria und Südafrika statt, wo die Aufmärsche von der khomeinistischen Quibla-Bewegung organisiert wurden. (6)

London 2011

Al-Quds-Demonstrationen werden aber auch in Ländern wie etwa Grossbritannien, Deutschland, Frankreich, Belgien, Norwegen, Neuseeland und den USA durchgeführt. Sogar in Venezuela fand letztes Jahr eine Demonstration statt, die ein Spiegel der guten Beziehungen zwischen Hugo Chavez und Ahmadinedschad ist.

Doch verglichen mit den Paraden im Iran oder im Libanon sind all diese Demonstrationen eher bescheiden im Umfang und von geringer Bedeutung. In den USA und Deutschland gingen die Teilnehmerzahlen ausserdem merklich zurück. Auch ist die Terminologie in diesen Ländern viel moderater und wird semantisch verlagert auf den Kampf für Menschenrechte.

In den USA wird der Jerusalem-Tag beispielsweise als Veranstaltung präsentiert, die die Solidarität mit den „Unterdrückten der Welt“ bekundet, insbesondere mit den Palästinensern, welche vom „rassistischen, zionistischen Regime“ unterdrückt werden.

All dies kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die jeweiligen Organisatoren über engste Verbindungen zum iranischen Regime verfügen, auch wenn dies stets vehement bestritten wird. An vielen Orten ist es ihnen mittlerweile gelungen, eine Vielzahl von Verbänden der muslimischen Gemeinden in die Organisation dieses Events einzubeziehen und darüber hinaus auch Personen aus dem linken und pazifistischen Spektrum zu mobilisieren. (7)

Die diesjährigen Demonstrationen werden thematisch auch die Freiheitsbewegungen im Nahen Osten aufgreifen. Laut Berliner Aufruf soll nicht nur gegen „die Verbrechen des zionistischen Besatzungsregimes“, sondern auch „für die Freiheit und Unabhängigkeit der arabischen Völker“ und die „Solidarität mit der wehrlosen Bevölkerung Bahrains“ die Stimme erhoben werden. (8) Dass die syrische Bevölkerung zumindest namentlich nicht erwähnt wird, dürfte aufgrund der engen Verbindungen zwischen dem Iran, Syrien und der Hisbollah nicht weiter verwundern.

Der Iran könnten den diesjährige Al-Quds-Tag nutzen, um Proteste entlang der israelischen Grenze anzuzetteln oder die Demonstranten gar zu ermutigen, die Grenze zu überschreiten, wie am diesjährigen Nakba-Tag bereits vorgemacht. (9)  Eine solche Eskalation käme für die iranische Führung zweifelsohne gelegen, zumal die letzten Al-Quds-Tage im eigenen Land nicht unbedingt wünschenswert verliefen. So nahm die Anzahl der Teilnehmenden – vor allem von Jugendlichen – in den letzten Jahren stetig ab. Im Jahre 2009 kam es sogar zu einem Desaster für das Regime, als Anhänger der grünen Protestbewegung die Veranstaltung nutzten, um gegen Ahmadinedschad und die Wahlfälschungen zu protestieren. Dabei skandierten sie: „Nicht Gaza, nicht Libanon – mein Leben für den Iran!“

(1) Textauszug aus der iranischen Zeitung Ettelaat (8.8.1979), zitiert nach Wahdat-Hagh, Wahied: Die Geschichte des Al-Quds-Tag, MEMRI Special Dispatch – 2. November 2004 (aufgerufen auf hagalil.com am 25.08.2011)

(2) Ebd.

(3) Ebd.

(4) Für einen knappen Überblick, siehe: Chapin Metz, Helen: Concept of Export of Revolution,

Iran: A Country Study, Washington: GPO for the Library of Congress, 1987 (aufgerufen am 25.08.2011)

(5) Siehe: Dietz, Mira: Die internationale Dimension des Al-Quds-Tages: Libanon, S. 27 – 29, in Antisemitismus „Made in Iran“: Die Internationale Dimension des  Al Quds Tages, American Jewish Committee (Hrsg.), 2006 (aufgerufen am 25.08.2011)

(6) Zu Südafrika und Nigeria, siehe Behrensen Arne: Die internationale Dimension des Al-Quds-Tages: Überblick, S. 25 – 26, in ebd.

(7) Zu den Al-Quds-Tagen in Berlin, London und den USA, siehe die entsprechenden Beiträge in

Antisemitismus „Made in Iran“: Die Internationale Dimension des  Al Quds Tages, American Jewish Committee (Hrsg.), 2006 (aufgerufen am 25.08.2011), sowie: Jerusalem Day, marked on August 26 this year, is an annual Iranian-sponsored event in support of the Palestinian cause, 14. August 2011, The Meir Amit Intelligence and Terrorism Information Center (aufgerufen am 25.08.2011)

(8) Die Demonstration richtet sich aber auch gegen „Hunger und Elend in Afrika“ und den „Raubtierkapitalismus“ (Zitat Jean Ziegler): Aufruf zur Demonstration am Qudstag, Quds  Arbeitsgruppe (aufgerufen am 25.08.20111)

(9) Siehe: Jerusalem Day, marked on August 26 this year, is an annual Iranian-sponsored event in support of the Palestinian cause, 14. August 2011, The Meir Amit Intelligence and Terrorism Information Center (aufgerufen am 25.08.2011)

Über Michel Wyss

Michel Wyss ist freischaffender Analyst bei der Audiatur-Stiftung und beschäftigt sich hauptsächlich mit Sicherheitspolitik im Nahen Osten. Er absolviert derzeit ein MA-Studium in Government mit Fokus auf Internationale Sicherheit am Interdisciplinary Center in Herzliya, Israel und ist als Research Assistant beim International Institute for Counterterrorism (ICT) tätig.

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