Bilder, die lügen

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Der Nahe Osten ist ein Pulverfass. Das wissen wir. Alle Seiten sprechen von Fehlinformationen, fehlenden Informationen und überhaupt ist alles Propaganda. Das wissen wir auch. Dazwischen schieben sich Tatsachen, die sich sogar verbildlichen lassen. Oder umgekehrt, es wird versucht, mit Bildern Tatsachen zu kreieren. Während des Zweiten Libanon-Krieg wurde der „Mann mit dem grünen Helm“ berühmt (1), der „eher bei der Inszenierung als bei der Bergung der Toten behilflich war“ (2).  In einer Pallywood-Inszenierung stirbt zu Beginn der Al-Aqsa-Intifada am 30. September 2000 der palästinensische Junge Muhamed al-Dura im Kreuzfeuer israelischer Soldaten in den Armen seines Vaters. Das will das Filmmaterial den Zuschauer zumindest glauben machen, jedoch hat sich das Gegenteil herausgestellt (3)(4). Der Leser und Zuschauer weiss schon gar nicht mehr, was er glauben soll oder kann, weil alles korrumpiert scheint. Tatsache ist auch, dass eine breite Öffentlichkeit ihr Wissen aus den Medien bezieht. Unwahrheiten, Halbwahrheiten werden irgendwann zu Vollwahrheiten. Auch Printmedien arbeiten mit Bildmaterial, das gehört dazu, je mehr desto besser, sonst wird es langweilig. Eben eine neue Lesergeneration. Wie steht es mit der journalistischen Verantwortung bei der Verwendung von Bildmaterial? Hört die journalistische Verantwortung mit dem letzten Punkt auf? Nein, denn Text und Bild bilden eine Einheit. Ja, wir stellen hier hohe Ansprüche, denn der Leser und die Leserin setzen ein Urvertrauen in die wahrheitsgetreue Arbeit der freien Medien in diesem freien Land. Fehler unterlaufen uns allen. Wer nicht arbeitet, macht auch keine Fehler. Aber warum passieren diese Fehler immer – so will es erscheinen – immer beim Thema Nahost/Israel? Gerade hier – wir erwähnten Pulverfass und Propaganda – ist Genauigkeit essentiell.

Aber was gibt es denn nun genau zu beanstanden? Hier zwei Beispiele aus der NZZ.

Bild: Reuters

Am 11. Juni 2011 veröffentlichte NZZ Online einen dpa/Reuters Beitrag „Syriens Armee geht immer brutaler gegen Regimekritiker vor“ (5), der über das gewaltsame Vorgehen der syrischen Armee gegen die Demonstranten berichtet. Das textbegleitende Bild lässt den aufmerksamen Leser mit Hebräisch-Kenntnissen stutzen, lautet doch der Bilduntertitel „Denkmal für syrische Armee an der Strasse nach Damaskus“ (Bild: Reuters). Seit wann gibt es ein

Berg Bental, Sahm

Denkmal für die syrische Armee in Israel? Reuters hat sich da vertan, Schuld abgewiesen. Halt! Ist dies nicht ein Paradebeispiel für mangelnde Gewissenhaftigkeit der Arbeit, Informationen kontrolliert und überprüft zu übernehmen? Weil man sich auf die renommierte Reuters-Agentur verlässt? So wie sich der Leser auf sie, liebe NZZ, verlässt? Was man wirklich auf dem Bild sieht ist nicht Syrien, sondern der Berg Bental auf den Golan-Höhen (unweit von Syrien) und stellt eine Nachbildung des Kriegsgeschehens dar (Foto rechts, Sahm).

 

Noch eine Bildergeschichte aus der NZZ, diesmal aber Marke Eigenbau.

NZZ, 20.07.2010, Bild:Reuters

Am 20. Juli 2010 brachte die NZZ den Beitrag von Mona Sarkis „Walt Disney und Hamdoon im Morgenland“ (6), der dem Leser einen Aspekt der Welt des Kinderfernsehens in der arabischen Welt vorstellt. Die Fernseh-Agenden im Kinderprogramm scheinen sich den westlichen Agenden sehr zu ähneln. Jedoch befremdet das ausgewählte textbegleitende Bild, passt doch die angeblich „Mickey-Mouse-ähnliche Sendung des Hamas-Kanals Al-Aksa TV“ (so der Untertitel zum Bild und wieder ein Reuters-Bild) so gar nicht zum Geist der präsentieren Welt der arabischen Kinderprogramm. Im Artikel wird auf diese Sendung auch kein Bezug genommen. Diese Mickey-Mouse-ähnliche Figur heisst Farfour und spielte in der Hamas-Kindersendung „Pioniere von morgen“ die Hauptrolle. Spielte, denn Farfour ist tot, von einem zionistischen Mossad-Agenten (leicht an seiner dunklen Sonnenbrillen zu erkennen) brutal ermordet. Farfour, der seinem sterbenden Grossvater unterm Olivenbaum versprechen musste, die Dokumente des Landbesitzes (Palästina) niemals aus der Hand zu geben und mit seinem Leben zu verteidigen, hält dem Mossad-Agenten stand und stirbt so den Märtyrertod. Diese dramatischen Szenen werden den Kindern gezeigt, die das Gesehene als wahr empfinden. (MEMRI TV, Clip # 1497 hier).  Farfour, wie seine Verwandten Nahoul die Biene und Assud der Hase, gleichen zwar äusserlich Trickfilmfiguren, sind aber ein wirksames Propagandainstrument der Hamas-Regierung. Von klein auf und scheinbar spielerisch sollen palästinensische Kinder mit Hassbotschaften gegen Israel indoktriniert und auf den Kampf gegen den bösen Zionisten vorbereitet werden. Dank der Trickfilmhelden wie Farfour wird ihnen beispielsweise auch der Märtyrertod als Erstrebenswertes präsentiert. Die keineswegs harmlosen „Plots“ lehren die kleinen Zuschauer, dass auch sie aufgerufen sind, für die Befreiung Palästinas zu kämpfen.

Das ist wahrlich keine Kindersendung, sondern Gehirnwäsche, die unschuldige Kinder manipuliert und instrumentalisiert. Sie passt tatsächlich überhaupt nicht auf den arabischen Kinderfernseh-Markt, wie von Frau Sarkis beschrieben. Soll diese Bildauswahl nun dem Leser etwas suggerieren? Es bleibt wohl dem (wissenden) Leser zu urteilen, ob dieses Auswahl Kalkül, grobe Fahrlässigkeit oder lediglich eine unprofessionelle Bildredaktion an der Arbeit war. Bilder, die lügen.

Sandra Hoffmann

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(1)    Im Krieg der Bilder, Frank Nordhausen, Berliner Zeitung Online, 10.08.2006, http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/spezial/dossiers/nahostkonflikt/060810/index.php Zugriff am 03.07.2011

(2)    In den Hügel von Hezbollywood, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 06.08.2006, http://www.faz.net/artikel/C31013/medien-im-nahost-konflikt-in-den-huegeln-von-hezbollywood-30197346.html Zugriff am 03.07.2011

(3)    Lebt Mohammed al-Dura? J.A./hie, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 03.03.2009, http://www.faz.net/artikel/C30280/gefaelschte-fernsehbilder-lebt-mohammed-al-dura-30033266.html Zugriff am 03.07.2011

(4)    Wer erschoss Mohammed al-Dura, James Fallows, Die Weltwoche, http://www.weltwoche.ch/ausgaben/2003-29/artikel-2003-29-wer-erschoss-moh.html?0= Zugriff am 03.07.2011

(5)    (http://www.nzz.ch/nachrichten/politik/international/syriens_armee_geht_immer_brutaler_gegen_regimegegner_vor_1.10888430.html)

(6)    http://www.nzz.ch/nachrichten/kultur/medien/walt_disney_und_hamdoon_im_morgenland_1.6743270.html

1 Kommentar

  1. und der name sagt auch alles….?

    Palästina – ein endloser Konflikt http://www.agenda.uzh.ch/record.php?id=14554

    Freitag, 9. Dezember 2011, 14:30 Uhr bis 18:15 Uhr
    MitProf. Dr. Albert Stahel, Universität Zürich
    André Marty, ehem. Nahost-Korrespondent SF, Journalist
    Jumana Cathrin Saba, PalCH (Verein zur Unterstützung notleidender Palästinenserkinder)
    Rudolph von Planta, Stv. Abteilungsleiter Europa und Mittelmeerraum DEZAOrt
    Universität Zürich Zentrum, Rämistrasse 71, 8006 Zürich

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